Lange Zeit dachte ich, ich müsste nur genug nachdenken, um mir sicher zu sein, dass eine Trennung der richtige Weg ist.
Aber dieser Moment der totalen Klarheit kam nie.
Immer häufiger saß ich abends auf dem Sofa neben meinem Mann und fühlte mich total fehl am Platz.
Ich lachte mit meinen Kindern, ich redete mit meinem Mann, ich kochte das Abendessen – aber innerlich spielte ich eine Rolle.
Riss mich zusammen, um das Bild einer glücklichen Mami und Ehefrau aufrechtzuerhalten.
Doch gedanklich war ich total abwesend.
Und es gab immer öfter diese Momente, in denen mein Schmerz durch meine scheinbar perfekte Fassade flüsterte.
Diese Sehnsucht nach einem Mann, der mich wirklich sieht, unterstützt und liebt.
Der mich jeden Tag in den Arm nimmt und mir sagt, wie sehr er mich liebt.
Mit dem ich tiefgründige Gespräche führen könnte, über Dinge, die mich interessierten.
Und der mich begehrte.
Wenn ich damals nachts aufwachte und ins Dunkel starrte und meine Kinder friedlich schliefen kamen Gefühle der Scham:
Betrog ich meinen Mann und meine Familie nicht längst, wenn ich solche Gedanken hatte?
Warum konnte ich nicht dankbar sein für diesen materiellen Wohlstand, der mich umgab?
Wenn ich mich selbst im Spiegel anschaute, hasste ich mich selbst.
Warum konnte ich nicht “normal” sein, so wie alle anderen auch?
Doch die Gedanken: Das kann doch nicht mein Leben sein! kamen immer häufiger und wurden unerträglich.
Manchmal hatte ich das Gefühl wahnsinnig zu werden, so sehr hatte mich das Gedankenkarussell im Griff.
Und gleichzeitig dachte ich lange Zeit, ich müsste nur genug nachdenken, dann wird es irgendwann Klick machen.
Dass ich eines Morgens aufwachen würde, mit einem inneren Go, einem Fahrplan, einem sicheren Gefühl.
Ich hab Bücher gewälzt, Gespräche geführt, Listen geschrieben, in Foren gelesen.
Ich hab gehofft, mein Kopf bringt mich da raus.
Aber der Kopf, meiner zumindest, wollte nicht raus.
Der wollte bleiben.
Denn er liebt Sicherheit.
Der zählte wieder und wieder all die schrecklichen Horrorszenarien auf, was alles schlimmes passieren wird:
Wenn du dich trennst, wirst du in Altersarmut enden.
Du kannst deinen Kindern nie so ein Leben in Wohlstand bieten, wie dein Mann es kann.
Deine Kinder werden dich eines Tages hassen, dass du ihre heile Kindheit zerstört hast.
Als alleinerziehende Mutter mit Kindern findest du niemals einen Mann.
Danach wird es auch nicht leichter, als jetzt.
Nur: Die Freiheit, nach der ich mich sehnte, war da nicht mit drin.
Mein Verstand sagte: Bleib. Warte. Vielleicht ändert sich doch noch was.
Denk nochmal drüber nach. Vielleicht ist es doch nicht so schlimm.
Mein Herz sagte: Geh. Und werde endlich wieder glücklich.
Doch die Stimme meines Herzens war lange Zeit nicht stark genug.
Ich konnte mich lange nicht bewegen.
Weil ich dachte, ich müsste erst alle meine Ängste und Schuldgefühle aufgelöst haben.
Und ich müsste vor der Trennung schon alle Antworten kennen:
Wie er reagiert.
Ob es ein riesiger Kampf mit Rosenkrieg und Gerichtsmarathon wird.
Wie es finanziell läuft.
Wie die Kinder reagieren.
Ob ich jemals wieder jemanden finde.
Wie ich allein klar komme.
Ich wollte den Weg kennen, bevor ich losging.
Aber heute gut sechs Jahre weiß ich:
Der Weg zeigt sich nicht vorher.
Er zeigt sich beim Gehen.
Erst als ich ganz vorsichtig anfing, mich zu bewegen – da passierte was.
Ich sprach mit Frauen, die diesen Schritt gegangen waren.
Ich fing an, mir vorzustellen, wie mein Leben aussehen könnte.
Ich holte mir Unterstützung durch Therapeuten und Coaches.
Ich tastete mich langsam vor, Schritt für Schritt.
Und mit jedem kleinen Schritt wuchs mein Vertrauen.
Nicht aus Denken. Sondern aus Erfahrung.
Was mir letztlich die Kraft gab, war nicht eine logische Entscheidung.
Es war dieser Moment, in dem ich merkte:
Ich will mich nicht länger selbst verraten.
Ich will meine Kinder nicht länger in einer Welt großziehen, in der man Nähe spielt, wo keine mehr ist.
Ich will nicht länger eine Frau sein, die sich selbst unterdrückt, damit das Bild nach außen schön bleibt.
Ich weiß, dass viele denken:
Wenn ich nur noch ein bisschen mehr Klarheit hätte.
Wenn ich sicher wäre.
Wenn ich wüsste, dass es der richtige Weg ist.
Ich hab das auch gedacht.
Aber die Wahrheit ist:
Die Klarheit kommt nicht vor dem Mut.
Sie kommt nach dem ersten Schritt.
Heute weiß ich, dass mein Herz nie falsch lag.
Dass das leise Ziehen in mir, dieses Gefühl von:
Da draußen wartet noch ein anderes Leben auf mich, genau richtig war!
Und dass ich ihm viel früher hätte glauben dürfen.
Denn Trennung ist nicht etwas, das man durchdenkt wie ein Businessplan.
Trennung ist ein innerer Ruf.
Eine Erinnerung an das, was du wirklich bist.
Und was du alles sein könntest, wenn du aufhörst, dich selbst zu vergessen.
Ich wünsche dir einen tollen Start ins Wochenende!